Die Tage begegnete mir bei Facebook ein sehr interessanter Artikel von Pierre Tunger: Schönes Leben mit der 20-40-60-Formel. Darin gibt er sehr gute Tipps zu Work-Life-Balance und präsentiert auch eine Rechnung zu Kosten wie Steuern, Altersvorsorge (darauf gehe ich in einem anderen Artikel tiefer ein) und Krankenversicherung. Besonders der Punkt “jährlich 4TEUR Kranken-, Unfall und BU-Versicherung” ist mir ins Auge gestochen.
Gute Krankenversicherung für 2.500€ jährlich?
Auf Nachfrage erklärte Pierre seine Kalkulation: Er zahle für seine PKV etwa 2.500e p.a. und habe deshalb nochmal 1.500e nochmal für Unfall- und Arbeitskraftabsicherung draufgeschlagen.
Kann das funktionieren? Nur etwa 200e mtl für Krankenversicherung inklusive Pflegepflichtversicherung, gesetzlichem Zuschlag und Krankentagegeld? Das wäre ja ein Super-Schnäppchen, das man wirklich allen Menschen empfehlen sollte!
Wer rechnen kann…
…ist klar im Vorteil, so auch der Slogan von Pierre. Dann rechnen wir mal 🙂
Gesetzliche Krankenversicherung berechnet den fälligen Beitrag nach Einkommen. Der aktuelle Beitragssatz inkl. Krankengeld beträgt je nach Kasse zwischen 14,60% – 15,90% (im Durchschnitt rechnen wir mal mit 15,5%). Dazu kommt die Pflegeversicherung iHv 2,35%, wobei Kinderlose einen zusätzlichen Beitrag von 0,25% als Strafe für mangelhafte Reproduktion entrichten müssen. Wir erlassen unserem 20-40-60-Modellkunden diesen Zusatzbeitrag. Damit kommen wir auf insgesamt 17,85% Beitragssatz.
42.000e Gewinn x 17,85% = 7.497e Jahresbeitrag für KV, KT und Pflege (gesetzlich)
Bei der privaten Krankenversicherung ist das schon mal nicht so einfach. Da hängt der Beitrag maßgeblich vom Eintrittsalter (je jünger desto günstiger), dem Gesundheitszustand (je gesünder desto günstiger), dem gewünschten Leistungsumfang (je niedriger desto günstiger) und dem Kalkulationsgeschick der Versicherung (je kreativer desto günstiger) ab. In der PKV gibt’s nun einen sehr sympathischen Ansatz wie man feststellen kann, ob der verlangte Beitrag angemessen bzw realistisch sein kann: Man rechnet den Dreisatz “Durchschnittliche Kosten je Versicherte / restliche Lebenserwartung = Beitrag” durch.
Quizfrage: Wie hoch ist der Bedarf?
Individuell ist der “Verbrauch” also Kostenbedarf je Versichertem sehr unterschiedlich. Es gibt die Patienten, die seit ihrem 20. Lebensjahr an vielfältigen Krankheiten wie Krebs, Morbus Bechterew, Multiple Sklerose, Schlaganfällen, Herzinfarkten, Asthma, Bluterkrankheit, HIV, etc leiden und jährlich 6 stellige Kosten verursachen. Und es gibt die kerngesunden Menschen, die sozialverträglich ableben. Zum Beispiel kerngesund im Alter von 50 durch einen Autounfall. Sie haben dann ihr ganzes Leben lang Krankenversicherung bezahlt und nie Leistungen beansprucht. Im Durchschnitt allerdings lassen sich ein paar recht genaue Zahlen feststellen.
Also: Gesetzliche Krankenversicherung und PKV Grundschutz (Versicherungsschutz vergleichbar GKV) ohne TOPleistungen liegen recht nah zusammen, der PKV TOPschutz (keine Begrenzungen, kein Leistungsmanagement, Leistungskonsum sind kaum Grenzen gesetzt) ist der Ausreißer mit fast doppelt so hohen Kosten.
Die Kalkulation der PKV ist durch das Kapitaldeckungsverfahren ganz besonders. Jeder Kunde muss seine durchschnittlichen Kosten im Laufe des Lebens selbst erwirtschaften. Wenn man einen Grundschutz wählt, müssen also bis zum kalkulierten Ableben mit zB 85 Jahren etwa 300.000e eingezahlt worden sein. Wenn der Leistungsbedarf (zB durch Inflation oder gestiegene Lebenserwartung) ansteigt, muss nach nachzahlen. Viele PKVersicherte klagen über die starken Beitragsanpassungen im Alter – das sind die Nachwehen von zu billigen Beiträgen und damit Fehlkalkulation der Versicherer in jungen Jahren.
Nehmen wir also den o.g. 20-40-60-Modellkunden (heutiges Alter 30) mit 2.500e Jahresbeitrag PKV inkl. Krankentagegeld, Pflegeversicherung und gesetzlichem Zuschlag (= 10% des PKV-Beitrages). Wir ziehen für KT, PV und GZ mal pauschal 500e ab, es bleiben also 2.000e Jahresbeitrag für den “nackten” Krankenversicherungsschutz.
2.000e x 55 Jahre Restlebenserwartung = 110.000e
Durchschnittsbedarf PKV Grundschutz = 300.000e
Nachzahlungsbedarf im Laufe der nächsten 55 Jahre: 220.000e
Das bedeutet, dass man unserem Modellkunden garantieren kann, dass seine Beiträge steigen werden. Je später desto heftiger. Wenn man die 220.000e auf zB 50 Jahre verteilt, ergeben sich 4.400e zusätzliche Beiträge pro Jahr. Wenn die Versicherung nur noch 30 Jahre für die Anpassung an den tatsächlichen durchschnittlichen Bedarf hätte, dann würde der Jahresbeitrag um über 7.300e jährlich angepasst werden müssen.
Sie sehen also: Man kann den hohen Beiträgen nicht entkommen – sie kommen. Und je später desto heftiger.
Aber es kann doch trotzdem funktionieren, oder?
Ja. Durchaus. Dafür müsste man aber
– entweder das Leistungsniveau absenken
– oder einen hohen Selbstbehalt vereinbaren
Wenn unser 30jähriger Modellkunde beispielsweise einen SB von 3.500e hätte, würde die Rechnung mit 2.000e PKV-Jahresbeitrag ganz knapp aufgehen:
(2.000e + 3.500e) x 55 Jahre Restlebenserwartung = 302.500e
Im Fall von sehr niedrigem Leistungsniveau (und wir reden hier von 2/3 weniger!!) fehlen viele wichtige Leistungen, die man im Ernstfall selbst bezahlen müsste. Diese Strategie empfehle ich daher nur Millionären oder Zockern. Mit hoher Selbstbeteiligung funktioniert es leider auch nur temporär, denn im Krankheitsfall können nur die wenigsten Menschen jedes Jahr ein paar Tausend EUR zusätzlich zu den Beiträgen ohne Weiteres locker machen.
Übrigens finde ich das immer sehr putzig, wenn Menschen diese fundamentalen Zahlen nicht verstehen wollen und deshalb regelmäßig nach einer guten Krankenversicherung für weniger als 300e monatlich fragen. Diese kann es nicht geben. Zumindest nicht auf Dauer, denn die nächste Beitragsanpassung kann die Kosten bereits verdoppeln. Noch putziger sind dann Vermittler, die dem Kunden suggerieren, er würde PKV-TOPschutz für weniger Beitrag als bei der gesetzlichen Krankenkasse bekommen. Und mit “putzig” meine ich entweder ahnungslos oder kriminell.
Ganz kriminelle putzige Vermittler locken Kunden dann von einer PKV zur nächsten und versprechen volle Badewannen. Dass das nicht funktionieren kann, habe ich schon vor Jahren HIER erklärt 🙂
Die Lösung
Lösung #1: Aus 20-40-60 entweder 30-40-60 oder 20-52-60 oder 20-40-80 machen. Dann reicht die Kohle auch für eine vernünftige Krankenversicherung – egal ob gesetzlich oder privat.
Lösung #2: Sich richtig beraten lassen und Risiken + Nebenwirkungen von Entscheidungen fundiert erklären lassen.
Lösung #3: Beten, dass nichts passiert und man sozialverträglich ableben darf.
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Vielen Dank an Sven Hennig für den praktischen GKV-Rechner und Thorulf Müller für die Zahlen sowie unermüdliche Aufklärungsarbeit bei den Vermittlern!
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