Eine hell beleuchtete Redaktion irgendwo in Deutschland, Freitag 20:30 Uhr. Fünf Journalisten sitzen mit dem Marketingchef des Verlages zusammen und schauen sich nervös an. Es geht um ein brisantes Thema: Nein, keine Enthüllungen oder unangenehme Wahrheiten, sondern um simple aber doch überaus wichtige Fragen.
– Wie kann man dem größten Werbekunden (Pfefferminzia Versicherungs-AG) einen Gefallen tun?
– Wie schafft man es, ihn auf Dauer an den Verlag zu binden?
– Wie ist es möglich, ohne die anderen großen Werbekunden (Konkurrenten des o.g. Konzerns) zu vergraulen?
Die Köpfe und der Marketingchef rauchen. Plötzlich hat ein junger Journalist eine Idee. Er räuspert sich und fragt er vorsichtig, ob er denn mal kurz was sagen darf. Der Marketingchef drückt seine 6. Zigarette im Aschenbecher aus, schaut den nervösen Jüngling argwöhnisch an und nickt grimmig. Die Gespräche verstummen und alle Augen richten sich ans Ende des überdimensionierten Konferenztisches, welcher mit den verschiedensten Testzeitschriften bedeckt ist.
Die folgenden Ereignisse lassen sich nur so darstellen:
Nachdem die erste Begeisterungswelle verebbt ist, zündet sich der Marketingchef eine wohlduftende Zigarre an und spielt nachdenklich mit dem Feuerzeug.
“Was ist denn, wenn uns jemand draufkommt? Ich meine… Wir können doch nicht behaupten, dass unser Werbekunde eine höhere Verzinsung hat?..”
Der junge Journalist lehnt sich in seinem Stuhl selbstzufrieden zurück, die allgemeine Aufmerksamkeit genießend. Dann spricht er mit Bedacht: “Uns kommt niemand drauf. Wir würfeln ein paar der echten Kennzahlen zusammen, ein paar wenige Werte werden je nach Bedarf übergewichtet und dann ein fiktiver Wert ohne echte Aussagekraft gebildet. Dazu erfinden wir einen griffigen Namen, der auch noch irgendwie nach BWL klingen soll. Voilá!”
Langsam verstehen es auch die anderen Kollegen. “Wir müssen die Methodik ja nicht veröffentlichen. Aber was ist, wenn Pfefferminzia dann zB im 2. oder 3. Jahr mit den Kennzahlen nicht mehr auf Platz 1 kommt?”
Da lächelt der Marketingchef ob der Naivität: “Wir haben diese Kennzahl erfunden, also können wir sie auch ändern! Das ist doch klar. Dazu habe ich auch noch eine Idee. Wir können noch weitere Testsieger küren!”
Er macht eine wohlüberlegte Pause.
“Wir messen die Kundenzufriedenheit!”
Ein paar der Journalisten rutschen unbehaglich auf ihren Stühlen herum. Schließlich traut sich der junge Ideengeber noch einmal: “Aber das ist ja ein Riesenaufwand! Dazu brauchen wir bestimmt ein ganzes CallCenter… Unser Budget gibt das sicher nicht her… Oder?”
Der Marketingchef lacht laut los: “Sie sind ja süß! Wer hat denn davon gesprochen, dass WIR die Zufriedenheit der Kunden mit ihrer Versicherung messen? Das können Sie schon mal wegen Datenschutz vergessen. Wir messen die Kundenzufriedenheit der Versicherungen mit uns. Wer am meisten zahlt, ist halt am zufriedensten!”
In sein Lachen stimmen alle Teilnehmer der Gesprächsrunde bereitwillig ein und damit endet dieser lange aber produktive Abend.
Comments 4
Mir fällt da spontan ein Finanz-Magazin in München ein, das seit Jahren das Land mit Testsiegeln pflastert. Aber diese Story ist sicher reine Satire.
Aber natürlich, Hr. Kunze! Wobei das Leben ja immer noch die besten Geschichten schreibt… 🙂
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