Wie lange überleben GKV und PKV ohne Beitragszahler?

SPON glänzt mal wieder mit unvoreingenommener Berichterstattung und führt ein total ergebnisoffenes Interview mit Chef von PKV-Verband Reinhold Schulte. Oder so

Zufällig wurden mir die gleichen Fragen gestellt. Hier ist das Interview! 😉

SPIEGEL ONLINE: Herr Simonov, beginnen wir mit einem konkreten Fall: Ein 73-jähriger Fleischermeister zahlt für seine private Krankenversicherung monatlich 1400 Euro. Seine Rente beträgt aber gerade mal 1000 Euro. Was raten Sie dem Mann?

Simonov: Er hätte sich vor 50 Jahren um seine Altersvorsorge kümmern müssen. Mit 1.000e Rente kommt es nicht darauf an, wie hoch sein KVbeitrag ist.

SPIEGEL ONLINE: Aber selbst wenn der Mann nur noch die Hälfte zahlt, ist er ein Sozialfall – und zwar wegen seiner privaten Krankenversicherung.

Simonov: Nein. Wegen seiner unzureichenden Altersvorsorge. Andere Lösungen wie Standard- oder Basistarif lassen wir mal trotzdem nicht unerwähnt.

SPIEGEL ONLINE: Wenn es angeblich für jeden eine Lösung gibt: Warum können sich dann so viele ältere Menschen und Geringverdiener ihre private Krankenversicherung nicht mehr leisten?

Simonov: Welche Geringverdiener und was machen sie in der PKV? Wieviele ältere Menschen genau? Ja, richtig. Sie haben keine Ahnung!

SPIEGEL ONLINE: Wie bitte? Der PKV-Verband spricht selbst von 155.000 Nichtzahlern. Menschen also, die ihre Beiträge mehrere Monate nicht gezahlt haben. Deutlich mehr Versicherte dürften Probleme haben, das Geld aufzubringen.

Simonov: Bei der GKV gibt es 638.000 Nichtzahler. Das ist ein gesellschaftliches Problem und hat nichts mit PKV oder GKV zu tun!

SPIEGEL ONLINE: Wenn wir bei SPIEGEL ONLINE Artikel über die PKV veröffentlichen, bekommen wir eine Flut von Zuschriften mit dem Tenor: Ich kann mir meine Beiträge nicht leisten.

Simonov: Das glaube ich Ihnen. Gut, dass es so repräsentativ ist!

SPIEGEL ONLINE: Wer 1000 Euro Rente hat und 1400 Euro Beitrag zahlt, braucht keine Hilfe?

Simonov: Klar. Vor einigen Jahrzehnten in Form eines guten Beraters!

SPIEGEL ONLINE: Uns liegen aber auch Fälle vor, die weniger drastisch klingen, für PKV-Branche aber dennoch ein Problem sind: Eine Angestellte mit einer Rente von 1600 Euro etwa muss mehr als 600 Euro Beitrag zahlen.

Simonov: Ja. Und wo liegt das Problem? Wenn sie möchte, kann sie einen Tarifwechsel vollziehen und bis zu 50% sparen.

SPIEGEL ONLINE: Das glauben wir nicht. Warum wäre sonst eine eigene Branche von Versicherungsberatern entstanden, die sich darauf spezialisiert hat, Menschen aus ihren überteuerten Krankenversicherungstarifen herauszuhelfen? Hier gibt es offenbar einen massiven Bedarf, weil die Gesellschaften es den Versicherten systematisch schwermachen, in einen günstigeren Tarif zu wechseln. Es müsste doch in deren Interesse sein, den Kunden selbst zu helfen.

Simonov: Das ist der Tat ein Problem. Da besteht Nachbesserungsbedarf! Es gibt allerdings auch die Möglichkeit, den Ombudsmann einzuschalten.

SPIEGEL ONLINE: Ob alle Privatversicherten diesen Ombudsmann kennen, sei dahingestellt. Aber selbst wenn es Einzelfälle sind: Sie verkaufen ein Produkt, das das Potential hat, Menschen finanziell zu ruinieren.

Simonov: Das trifft auf fast jedes Produkt zu – auch außerhalb der Versicherungsbranche.

SPIEGEL ONLINE: Das Kernproblem ist doch ein anderes. In den vergangenen Jahren sind massenhaft Leute in die private Krankenversicherung gelockt worden, die dort nichts zu suchen haben. Dabei hat sich die Branche zweifelhafter Drückertruppen wie der von Mehmet E. Göker bedient. Dessen MEG hat Millionen damit gemacht, Versicherte in Billigtarife zu locken, bei denen extreme Beitragssteigerungen absehbar waren.

Simonov: Jeder bekommt die Beratung, die er verdient. Ja, ich weiß – das ist hart. Aber es stimmt! Manche Kunden wollen es gar nicht anders und viele Vermittler sind provisionsgetrieben. Aber das Problem wurde mittlerweile vom Gesetzgeber zumindest teilweise gelöst!

SPIEGEL ONLINE: Nach unseren Informationen werden in der Branche weiter Provisionen in Höhe von 15 Monatsbeiträgen gezahlt.

Simonov: Das wäre zu schön. Leider kann ich das nicht bestätigen! 🙂

SPIEGEL ONLINE: Wir sind gespannt. Thomas Leithoff, Anwalt und Experte für Versicherungsrecht, sagt: “Die private Krankenversicherung ist auf Neugeschäft, auf neue Kunden angewiesen.”

Simonov: Wenn Hr. Leithoff das meint, dann disqualifiziert er sich damit selbst. Er kennt wohl leider nicht den Unterschied zwischen Umlageverfahren und Kapitaldeckungsverfahren. Für einen PKV-Tarifes ist es unerheblich ob Neukunden hinzukommen oder nicht. Die Kalkulation berücksichtigt ab dem 1. Tag die höheren Leistungsausgaben im Alter, eine Beitragssteigerung aufgrund Alterung ist also ausgeschlossen. Der Preis eines PKV-Tarifes steigt nur, wenn sich nicht vorhersehbare Faktoren wie z.B. Inflation, demografische Entwicklung (die durchschnittliche Lebenserwartung steigt) oder Eingriffe von Seiten des Gesetzgebers negativ auswirken. Hier finden Sie mehr dazu.

SPIEGEL ONLINE: Wir haben eher den Eindruck, dass der PKV-Branche mittlerweile eine Welle der Unzufriedenheit entgegenschlägt. Umfragen zufolge gibt es in Deutschland eine Mehrheit für die Bürgerversicherung – und damit für das Ende der PKV. Wollen Sie wirklich warten, bis eine linke Mehrheit die PKV abschafft? Oder tun Sie selbst etwas, um das System weiterzuentwickeln?

Simonov: Eine Abschaffung der PKV würde Enteignung bedeuten. Die PKVersicherten haben nämlich rund 170 Milliarden EUR an Vermögen aufgebaut. Hr. Schulte bringt es perfekf auf den Punkt:

20130123-232733.jpg

Ich danke für das Gespräch!

Mit zwinkernden Grüßen,
Wladimir Simonov

Comments 2

  1. Diese 115T werden sicher noch mehr werden. Das System der PKV ist (obwohl wir selber im Bereich tätig sind) nicht für die Zukunft gewappnet. Es geht hauptsächlich darum junge gesunde Menschen zu ködern, die im Alter aber gigantische Beiträge zahlen müssen.

    1. Post
      Author

Was meinen Sie dazu?