Häufig findet man in Kundenunterlagen Altverträge, die dem heutigen Stand nicht (mehr) entsprechen. Es könnten beispielsweise nachteilige Formulierungen in den Bedingungen sein, kleine Schönheitsfehler wie ein zu früher Vertragsablauf (mit 55 oder 60) und eine zu geringe versicherte Rente bei Berufsunfähigkeitspolicen oder fehlende Leistungen bei PKVoll, -Zusatz oder Pflege. Evtl ist auch denkbar, dass sich die Bedürfnisse des Kunden im Laufe der Jahr(zehnt)e geändert haben. Das Auto muss alle 2 Jahre zur Hauptuntersuchung, die Versicherungen hat man 1x abgeschlossen und Schluss aus. Unangenehme Aufgabe endlich erledigt, man möchte sich nie nie wieder damit beschäftigen müssen.
Naja, dann irgendwann lässt man doch jemanden wie mich mal drüberschauen. Plötzlich merkt man dann, dass der Schutz doch nicht so perfekt ist wie gedacht. Da harmoniert die BU nicht mit der Altersvorsorge oder eine wichtige Leistung der privaten Krankenversicherung fehlt wider Erwarten. Erwartungsvoll schauen die Kunden mich an, denn sie wissen nun was folgt: Natürlich soll man kündigen und was Besseres abschließen. Das sieht man doch täglich im Fernsehen und alle selbsternannten Verbraucherschützer raten dazu! Man muss vergleichen und dann sofort kündigen und was Neues kaufen. Man will – nein, man BRAUCHT – diese neuen Leistungen von deren Existenz man bis gerade eben noch nicht mal wusste!! Wo muss man nun die Kündigung unterschreiben??? Doch zu deren großen Überraschung empfehle ich meistens die Verträge zu behalten.
Hä? Verträge behalten?? Das hat mir ja noch niemand vorher geraten!
Ja, ganz recht. Alte Verträge mögen ihre Macken haben, ähnlich wie ein altes Auto. Sie sind in die Jahre gekommen und es gibt heute was Besseres, Schnelleres, Schöneres. Doch einen Vorteil kann den alten Verträgen niemand mehr nehmen oder egalisieren: Fristen gemäß §21 VVG.
Bei Versicherungsverträgen beginnt alles bei §19 VVG: Der Versicherungsnehmer hat bis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten Gefahrumstände, die für den Entschluss des Versicherers, den Vertrag mit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sind und nach denen der Versicherer in Textform gefragt hat, dem Versicherer anzuzeigen. Verletzt der Versicherungsnehmer seine Anzeigepflicht nach Absatz 1, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten.
Dann muss man in §21 VVG schauen: Die Rechte des Versicherers nach § 19 Abs. 2 bis 4 erlöschen nach Ablauf von fünf Jahren nach Vertragsschluss; dies gilt nicht für Versicherungsfälle, die vor Ablauf dieser Frist eingetreten sind. Hat der Versicherungsnehmer die Anzeigepflicht vorsätzlich oder arglistig verletzt, beläuft sich die Frist auf zehn Jahre.
Wenn ein Kunde also vor mehr als 5 Jahren den Vertrag geschlossen hat, fallen schon mal die meisten Anzeigepflichtverletzungen bis auf vorsätzliche oder arglistige als Ablehnungsgrund des Versicherers weg. Nach mehr als 10 Jahren auch Vorsatz und Arglist. Das ist sehr wichtig zu wissen, denn regelmäßig stellt man fest dass bei der Beantragung nicht alles oder nicht genau genug angegeben wurden. Leistungsfall-Expertin Angela Baumeister geht sogar so weit und schätzt 70% aller Verträge als fehlerhaft beantragt sowie ein Drittel aller Verträge als besonders problematisch hinsichtlich §21 VVG ein – ein Riesenproblem. Selbst mit professioneller Hilfe durch einen spezialisierten Versicherungsmakler lässt sich das nie zu 100% ausschließen, denn man hat häufig keinen Zugriff alle ärztlichen Unterlagen, Daten der Krankenkassen, der kassenärztlichen Vereinigung, der Deutschen Rentenversicherung, etc… Auch Zufallsdiagnosen, die längst vergessen wurden oder nie richtig wahrgenommen wurden, könnten zum Stolperstein im Leistungsfall werden. So einen Fall (zum Glück nicht durch mich vermittelt) begleite ich aktuell beratend und es ist ein zäher Kampf, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Bericht dazu erfolgt gesondert!
Ein Versicherungsmakler lebt von Provisionen und hat doch genau deshalb ein großes Interesse an Umdeckungen oder Neuabschlüssen – oder?
Das ist zwar richtig, aber zu kurz gedacht. Ich lebe in erster Linie von meinem guten Ruf. Einen guten Ruf erwirbt man sich durch faire Beratung sowie schnell und umfassend regulierte Schaden- & Leistungsfällen. Was bringen mir also kurzfristig ein paar Tausend EURO, wenn sich in ein paar Jahren niemand mehr bei mir versichern möchte weil der Ruf ruiniert ist? Auch wenn man mit Optimierung bestehender Verträge wenig(er) bis gar nichts verdient – langfristig lohnt es sicht. Alleine als Marketingmaßnahme, indem man zeigt dass man eben NICHT so ist wie der Rest des Marktes!
Fazit: Überlegen Sie es sich ganz genau, wenn Sie alte Versicherungen kündigen. Problematisch in dieser Hinsicht sind grundsätzlich alle Versicherungsverträge mit Risikofragen wie zB Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen, Pflegeversicherungen, private Krankenversicherungen, Unfallversicherungen, Funktionsversicherungen, Dread Disease Policen, uvm. Wägen Sie daher immer ganz genau ab, ob Sie die (vermeintlichen) Vorteile gegen die eventuellen Nachteile tauschen möchten. Lassen Sie von Ihrem Berater / Vermittler immer eine Kopie der Beratungsdokumentation geben, denn ein seriöser Kollege wird Sie immer auch über die Nachteile eines Versicherungswechsels aufklären. Naja, und bei manchen Sparten wie Krankenvollversicherung sollte man sowieso nur in äußersten Notfällen wechseln!
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Mit wechselunwilligen Empfehlungen,
Wladimir Simonov