Im Juli 2013 ist die 10jährige Gymnasiastin Hildegard* (Name unbekannt, daher ein recht unwahrscheinlicher Name für ein 10jähriges Mädchen ausgewählt) auf dem Heimweg von der Schule. In der Schönstraße (München Harlaching) zwischen Hausnummer 69b und 74 fährt sie mit ihrem Tretroller auf die Fahrbahn, um die Straße zu überqueren und wird vom Metrobus 52 voll erfasst. Sie durchschlägt mit ihrem Kopf die Windschutzscheibe. Es ist ein Wunder, dass sie diesen schweren Unfall nur mit leichten Blessuren überlebt. Hauptsächlich auch weil der Busfahrer geistesgegenwärtig scharf bremsen konnte und so Schlimmeres verhinderte. Im Bus wurden 3 Fahrgäste schwer verletzt, 7 erlitten leichte Verletzungen. Der Busfahrer erlitt einen Schock und war über ein halbes Jahr krankgeschrieben.
Stadtwerke München fordern nun von dem Mädchen (besser von den Eltern des Mädchens) 15.300e für
A) Reparaturkosten am Bus = Sachschaden
B) Lohnfortzahlung für den erkrankten Busfahrer = Vermögensschaden
Das geht nur deshalb, weil das Mädchen zum Zeitpunkt des Unfalls 10 Jahre und 2 Monate alt war. Kinder bis 7 sind nämlich generell deliktunfähig, im Straßenverkehr gilt eine Grenze von 10 Jahren. Bis zu diesen Altersgrenzen gibt’s keine gesetzliche Haftungsgrundlage – außer die Eltern hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Wäre das Mädchen also mit 9 Jahren und 11 Monaten vor den Bus gelaufen, hätten die Stadtwerke Pech gehabt und den Anspruch nicht stellen können.
(1) Wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat, ist für einen Schaden, den er einem anderen zufügt, nicht verantwortlich.(2) Wer das siebente, aber nicht das zehnte Lebensjahr vollendet hat, ist für den Schaden, den er bei einem Unfall mit einem Kraftfahrzeug, einer Schienenbahn oder einer Schwebebahn einem anderen zufügt, nicht verantwortlich. Dies gilt nicht, wenn er die Verletzung vorsätzlich herbeigeführt hat.§ 828 BGB
Das Gericht klärt nun, ob der Busfahrer durch nicht angepasste Geschwindigkeit (immerhin war in der Nähe ein Warnschild “Achtung, Kinder”) eine Mitschuld an dem Unfall hat und wie hoch die allgemeine Betriebsgefahr eines Busses einzupreisen ist. Die Richterin hat für die Betriebsgefahr einen Wert von 30% vorgeschlagen. Das bedeutet, dass das Mädchen (bzw. dessen Eltern) schon mal “nur” noch 10.710e schuldig wären. Durch eine eventuelle Mitschuld des Fahrers würden die Ansprüche noch weiter sinken. Zumindest die Ansprüche der Stadtwerke an das Mädchen. Wahrscheinlich werden die verletzten Passagiere (immerhin 10 Personen, 3 davon schwer) eigene Ansprüche stellen. Mit absoluter Sicherheit werden unabhängig davon die Krankenversicherer der Verletzten Regress für die Behandlungskosten bei den Stadtwerken und/oder dem Mädchen üben. Diese Kosten können leicht 6-7stellig werden.
Zahlt eine Versicherung?
Ja. Jede beliebige stinknormale Privathaftpflicht ab 20,69e Jahresbeitrag ohne irgendwelche besonders ausgefallenen Leistungsmerkmale übernimmt in diesem Fall:
Die Ansprüche wurden grundsätzlich geprüft (= Familie wird wohl haften müssen), nun werden die unberechtigten Ansprüche (= zu hohe Forderungen der Stadtwerke München) abgewehrt und bald – wenn das Gerichtsurteil feststeht – die berechtigten Ansprüche der Stadtwerke und gegebenenfalls der Verletzten sowie deren Krankenversicherer reguliert. Die Haftpflichtversicherung wird dann auch die Rechtsanwaltskosten sowie Gerichtskosten im Rahmen des in jeder Haftpflicht kostenlos enthaltetenen passiven Rechtsschutzes vollständig übernehmen. Damit wird die Familie vor dem Ruin bewahrt und müsste (sofern überhaupt vereinbart) maximal eine kleine Selbstbeteiligung übernehmen. Die meisten Privathaftpfichtverträge haben aber nicht mal das vorgesehen.
Wenn das Mädchen allerdings schwere Verletzungen oder eine Beeinträchtigung davongetragen hätte, sähe es versicherungstechnisch anders aus. Da würde nur eine private Unfallversicherung helfen.
Quelle: SZ
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