Trichterbrust und die vorvertragliche Anzeigepflicht

Mittlerweile sollte wohl jeder wissen, dass bei Antragsstellung alle Fragen wahrheitsgemäß beantwortet werden sollten – wonach der Versicherer jedoch nicht fragt, muss nicht angegeben werden.

Nun hatte ich vor ein paar Monaten den Kontakt zu einem jungen Unternehmer, der eigentlich ganz gut vorgesorgt zu haben schien: Eine BU, eine private Krankenversicherung, mehrere private Rentenversicherungen… Das war schon mal sehr löblich!

Es gab nichts Akutes zu erledigen, also blieben wir zunächst einfach mal lose in Kontakt und spielten uns aufgrund der gegenseitigen Sympathie von Zeit zu Zeit Aufträge und Empfehlungen zu. Irgendwann waren wir privat beim Baden und mir ist bei ihm etwas aufgefallen, das einen Verdacht weckte: Der junge Mann hatte eine Trichterbrust.

Daraufhin fragte ich ihn nebenbei, ob er bei der Antragsstellung dies angegeben hätte. Er meinte ja. Aus der langjährigen Erfahrung mit solchen Fällen bat ich ihn, mir bei Gelegenheit die Kopie seiner BU- und PKV-Anträge zu zeigen und siehe da: Mein Verdacht hat sich bestätigt.

Aber nach Trichterbrust wird doch gar nicht explizit gefragt, oder?

Nicht ganz, denn diese Frage ist bei fast allen Anträgen Pflicht:

“Bestehen Gebrechen, Organfehler oder Anomalien?”

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Als Anomalie (von griech. anomalos ‚unregelmäßig‘) bezeichnet man in der Medizin Normabweichungen und Unregelmäßigkeiten.

Quelle: Wikipedia

Was war passiert? Natürlich war weder bei seiner BU (abgeschlossen über einen Vertreter) noch bei seiner PKV (abgeschlossen über einen Makler) die Anomalie “Trichterbrust” angegeben. Die Kreuzchen waren alle auf “nein”!

Jetzt wird man uU als unbedarfter Kunde sagen können: Trichterbrust? Da besteht doch kein Risiko…

Das stimmt nicht. Je nach Ausprägung können Herz & Lunge beeinträchtigt werden sowie durch die Fehlhaltung auch Rücken- & Bandscheibenprobleme auftreten. Sowohl bei BU als auch bei der privaten Krankenversicherung also erhebliche Risiken für den Versicherer.

Unsere Lösung war zuerst die einfachere Aufgabe zu erledigen: Bei der BU reichte eine begrenzte Ausschreibung bei 5 TOP-Anbietern, um für den Kunden sehr guten Schutz ohne Zuschläge oder Ausschlüsse zu erreichen.

Richtig anspruchsvoll war die Aufgabe dann bei der privaten Krankenversicherung, vor allem da die meisten Gesellschaften mit Tarifen gem. Kundenvorgaben recht schnell ablehnten. Nach langen und intensiven Verhandlungen, Einholung umfassender ärztlicher Atteste und Nachverhandlungen einigte man sich mit einem sehr guten Krankenversicherer auf rund 20% Risikozuschlag. Puh… Glück gehabt! Schlechter PKVschutz ist nämlich sehr gefährlich und birgt unkalkulierbare Risiken – und in die gesetzliche Krankenversicherung konnte er ja nicht mehr zurück.

Mit dieser Sicherheit im Rücken haben wir dann die bestehenden BU- und KV-Anbieter mit einer anonymisierten Anfrage mit den echten Gesundheitsangaben des Kunden, aber einem Chiffre-Namen angeschrieben. Erwartungsgemäß kam zurück, dass sie das Risiko nicht übernehmen würden – das bedeutete, dass der bestehende Versicherungsschutz wertlos war. Wir kündigten nun die BU mit 1 Monat Vorlauf und die PKV aufgrund Beitragserhöhung zum 1.1.2014 (ganz unauffällig, um Rücktritt und Anfechtung zu vermeiden) und nun ist der Kunde richtig und richtig gut versichert.

Fun fact: Natürlich habe ich die “Kollegen” zur Rede gestellt und gefragt, wieso sie den jungen Mann so ins Messer laufen ließen. Wie üblich war die eine Ausrede (BU-Vertreter), dass der Kunde beim Abschluss nichts von der Trichterbrust erwähnt hätte – was die Freundin des Kunden, die beim Gespräch dabei war widerlegt hat – und die Ausrede des PKV-Maklers war, dass er dies zwar in seinen Unterlagen notiert hätte aber nicht als wichtig genug erachtete um es im Antrag zu vermerken. Haarsträubend… Der Kunde zahlte also 2 Jahre für einen nutzlosen BUschutz – und hatte nicht mal eine richtige Krankenversicherung! Leider bringt es meistens nichts, solche Pfuscher zu verklagen – denn am Ende steht es meistens nur Aussage gegen Aussage und man hat eine Menge Ärger verursacht sowie Geld verbrannt… 🙁

Deshalb mein Tipp an alle: KONTROLLIERT ALLE GESUNDHEITSANGABEN IN DEN ANTRÄGEN, DIE IHR UNTERSCHREIBT!!!Wenn der Vermittler manche Angaben nicht einträgt, lasst es Euch schriftlich auf dem obligatorischen Beratungsprotokoll inkl Gründe für das Weglassen bestätigen – und sucht Euch lieber einen vernünftigen Berater!

Nunja. Wenigstens hat dieser Kunde hat ja nochmal Glück gehabt und mich rechtzeitig beauftragt 🙂

PS: Die geschätzte Versicherungsberaterin Angela Baumeister hat mal im Handelsblatt geschätzt, dass jede 3. Police mit solchen gravierenden Fehlern besteht und rund 70% aller Verträge mit kleineren Unstimmigkeiten behaftet sind. Diese Zahlen kann ich aus der täglichen Praxis leider bestätigen.

Mit entspannten Grüßen,
Wladimir Simonov

Comments 4

  1. Die Frage ist ja, wie lange war die Antragstellung her. Von Arglist kann in dem Fall wohl kaum gesprochen werden , sondern allenfalls von einer grop fahrlässigen Anzeigepflichtverletzung. Diese verjährt nach 5 Jahren.
    Wie alt waren also die Verträge?
    wenn ich den Fall entdeckt hätte, hätte ich eher mit den GEsundheitsdaten des Kunden und einem ähnlichen Namen eine Antrag gestellt bei allen GEsellschaften, bei dem bereits Verträge bestanden. Wäre dabei nur ein LEistungsausschluss oder ein Risikozuschlag herausgekommen, hätte ich das Ergebnis gut aufbewahrt und gar nichts unternommen, wenn die 5 Jahres Frist fast um gewesen wäre.
    Denn ist die Frist um, wäre die Anzeigepflichtverletzung verjährt. Wäre es vorher noch zum Leistungsfall gekommen, hätte der Versicherer den Antrag so behandeln müssen, als hätte er bei Antragstellung von der Vorerkrankung gewusst. Und wie hätte er da reagiert? Genau so wie es in dem nachweislichen Probeantrag gewesen wäre. (Beweismittel).
    Wenn die Verträge natürlich gerade erst 1 oder 2 Jahre alt waren, dann hast Du natürlich Recht, ebenso, wenn die VErsicherer, bei dem die Verträge bestanden den Antrag komplett abgelehnt hätten.

    Aber ansonsten hast Du vielleicht schlafende Hunde geweckt und der Kunde zahlt nun einfach mehr. Oder wie siehst Du das?

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      Der PKV-Vertrag war etwa 1 Jahr alt, also noch 4 Jahre auf Risiko spiele und selbst danach einen Rechtsstreit riskieren kann aus meiner Sicht keine Lösung sein – oder? 🙂

Was meinen Sie dazu?