Ausfalldeckung: Haus unter Wasser, überfahren worden und von Tarantel gestochen

Überall wird von der Notwendigkeit einer Privathaftpflichtversicherung (PHV) berichtet und ja, es stimmt: Die Privathaftpflicht IST die wichtigste Absicherung überhaupt. Doch was leistet sie und worauf sollte man achten? Die ersten 3 Punkte bietet jede Gesellschaft, bei dem letzten Punkt trennt sich jedoch die Spreu vom Weizen!

1. Prüfung der Haftpflichtfrage

2. Ablehnung unberechtigter Ansprüche (passiver Rechtsschutz)

3. Regulierung berechtigter Ansprüche

Doch was ist mit dem Fall, wenn die Ansprüche berechtigt sind, aber der jeweilige Tarif in diesem Bereich keine Leistungen vorsieht? Da gibt es mehrere 100 kleiner und großer, wichtiger und unwichtiger Punkte. Ich beleuchte mal den wohl wichtigsten und zwar:

4. Forderungsausfalldeckung

Statistiken zufolge haben aktuell weniger als 70% der Bevölkerung eine Haftpflichtversicherung. Das bedeutet, dass etwa 1/3 der Menschen in DE andere Personen schädigen und dann quasi mit den Achseln zucken können. Die meisten Menschen ohne PHV sind wirtschaftlich eher schwach (wobei mir niemand erzählen braucht, dass er sich die 30-70e Jahresbeitrag nicht leisten kann – er will es meistens schlicht und einfach nicht!) und einige sind entweder relativ wohlhabend und/oder recht uneinsichtig, frei nach dem Motto “Wofür brauche ich das denn? Den Weinfleck auf dem Teppich (beliebtes PHV-Schadensbeispiel) bezahle ich aus der Portokasse!”.

Dafür Dagegen gibt es die sogenannte (Forderungs-)Ausfalldeckung. Diese leistet, sofern ein Dritter Sie schädigt und
a) keine Haftpflichtversicherung hat sowie außerstande ist, den Schaden aus seinem (Un-)Vermögen zu begleichen oder
b) seine Haftpflichtversicherung den Schaden aufgrund unzureichender Versicherungsbedingungen bzw. Ausschluss ablehnt

a) ist ja wohl klar. Gibt’s keine – zahlt auch keine und einen nackten Mann kann man nicht ausziehen.

b) ist schon ein wenig komplizierter. Stellen wir uns mal rein hypothetisch vor, dass es Menschen gibt, die weniger Wert auf die Wahl der richtigen Absicherung legen als Sie, meine treuen Blogleser. Diese Menschen schließen die “günstigsten” Versicherungen im Internet ab oder lassen sich von Kaltanrufen unseriöser Vermittler irritieren. Oder sie haben ihre Versicherungen vor 30 Jahren “geregelt” und den angestaubten Ordner nie wieder aus dem Regal genommen. Nun ist es nicht ausgeschlossen, dass sie zwar eine PHV haben und sich sehr gut abgesichert fühlen – aber doch ein paar wichtige Punkte übersehen haben.

Schadens-Bsp: Der Mieter Klaus K. im 3. Stock eines Mehrfamilienhauses lässt seine Waschmaschine ihre Arbeit verrichten und kocht währenddessen in der Küche für die Familie ein 3-Gänge-Feiertags-Menü. Als er später nachschaut, erwartet ihn ein kapitales Schlamassel: Irgendwas ist schiefgelaufen und die halbe Wohnung steht unter Wasser. Als er zum Telefon rennt, um den Hausmeister anzurufen, klingelt es schon an der Tür – es ist der total durchnässte Nachbar von unten, der auch ein paar Liter abbekommen hat. Der Gesamtschaden liegt bei 18.000e

a) Klaus K. hat keine Privathaftpflichtversicherung. Er muss den Schaden von insgesamt 18.000e selbst tragen. Da er dies nicht kann, bleiben der Hauseigentümer (5.000e Schaden), der Vermieter (5.000e Schaden) und der Nachbar (8.000e Schaden) auf ihren Kosten sitzen.

Gut, dass zumindest der Nachbar eine Privathaftpflicht mit Forderungsausfalldeckung sein eigen nennt. Je nach Gesellschaft/Tarif übernimmt diese
I) den kompletten eigenen Schaden oder
II) den kompletten eigenen Schaden, sofern dieser 1.000e/2.500e/5.000e übersteigt oder
II) den eigenen Schaden abzüglich einer Selbstbeteiligung von 1.000e/2.500e/5.000e

b) Klaus hat eine PHV, aber aus unerfindlichen Gründen sind Mietsachschäden nicht versichert. Die 5.000e Schaden an der Wohnung muss der Vermieter wohl selbst berappen… Außer er hat selbst schlauerweise eine Privathaftpflicht mit Ausfalldeckung! Je nach Gesellschaft/Tarif übernimmt diese analog a)
I) den kompletten eigenen Schaden oder
II) den kompletten eigenen Schaden, sofern dieser 1.000e/2.500e/5.000e übersteigt oder
II) den eigenen Schaden abzüglich einer Selbstbeteiligung von 1.000e/2.500e/5.000e

Natürlich sind Tarife mit einer Forderungsausfallklausel ohne Mindestschadenhöhe und/oder ohne Selbstbeteiligung am empfehlenswertesten.

-> Hier ist btw ein guter Überblick zu der Rechtsprechung bzgl. Waschmaschinen und grober Fahrlässigkeit!

Soviel zu Theorie, jetzt geht’s auf in die Praxis.

Schadens-Bsp: “…Jedoch drehte das Fahrzeug nach wenigen Metern wieder um. Der 18-jährige Fahrer beschleunigte und fuhr auf die Gruppe zu. Die drei Männer im Alter von 20 bis 28 Jahren aus der Stadt und dem Landkreis Landshut standen mittlerweile mitten auf der Straße. Der 28-Jährige konnte gerade noch zur Seite springen. Der 20-Jährige wurde durch seinen Freund, den 24-Jährigen, von der Straße geschubst, damit er nicht vom Fahrzeug überrollt wird. Der 24-Jährige selbst konnte sich jedoch nicht mehr retten und wurde vom Fahrzeug erfasst. Er wurde glücklicherweise nur leicht verletzt und in ein nahe gelegenes Krankenhaus zur ambulanten Versorgung gebracht.”

Klingt unrealistisch oder sogar filmreif? Dennoch ist es im März 2012 in Ergolding so passiert. Glücklicherweise hielten sich die Verletzungen in Grenzen und es ist nichts Schlimmeres vorgefallen!

Analysieren wir den Vorfall mal aus versicherungstechnischer Sicht!

Leistet die Kfz-Versicherung?

A.1.5 Was ist nicht versichert?

Vorsatz
A.1.5.1 Kein Versicherungsschutz besteht für Schäden, die Sie vorsätzlich und widerrechtlich herbeiführen.

Das steht so in den Musterbedingungen des GDV und ähnlich in allen “echten” Versicherungsbedingungen der jeweiligen Versicherungsgesellschaften.

Welche Versicherungen leisten denn?

Es würde die gesetzliche und/oder private Kranken(zusatz)versicherung für die medizinische Versorgung aufkommen. Dann u.U. die Unfallversicherung, Pflegeversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung – sofern beim Geschädigten dauerhafte Beeinträchtigungen oder Invalidität zurückbleiben würde. Das alles setzt natürlich voraus, dass all diese Policen überhaupt bestehen und/oder in ausreichender Höhe abgeschlossen wurden.

Was ist, wenn nicht?

Dann hilft nur eine Rechtsschutzversicherung und eine Privathaftpflicht mit Ausfalldeckung, die auch bei Vorsatz und Schäden durch Kfz-Führer leistet.

Mit Hilfe einer Rechtsschutzversicherung (gibt es bei einigen Gesellschaften auch als Baustein/Klausel im Rahmen der Ausfalldeckung dazu) kann der Geschädigte seine Ansprüche geltend machen.

Nun gehen wir mal von einer (glücklicherweise nicht bestehenden) schweren Schädigung der Wirbelsäule durch den Vorfall aus. Der Geschädigte ist 24 Jahre alt, kann nie wieder arbeiten, benötigt etwaige Hilfsmittel und Pflege. Das ist selbst bei einer sehr vorsichtigen Schätzung ein Schaden von mehr als 1 Mio EYR. Wir gehen ferner realistischerweise davon aus, dass der 18jährige Fahrer dieses Geld nicht mal so zufällig auf dem Konto liegen hat. Nun könnte man sagen: Pech. Aber…Zum Glück hat unser virtueller Geschädigte eine Privathaftpflicht mit Forderungsausfalldeckung. Diese Klausel wiederum hat eine seltene und unschätzbar wichtige Besonderheit am deutschen Versicherungsmarkt: Sie leistet auch bei Schäden durch Vorsatz UND bei Eigenschaft des Schädigers als Halter/Führer von Kraftfahrzeugen!

So würde auch bei so einem haarsträubenden Unglück die eigene PHV zumindest den wirtschaftlichen Schaden regulieren und das weitere Leben stark erleichtern.

Weiterer wichtiger Unterpunkt ist auch das Greifen der Ausfalldeckung bei Eigenschaft des Schädigers als Tierhalter/-hüter. Hier in Bayern haben wir nämlich noch keine gesetzliche Pflicht für den Abschluss einer Hundehalterhaftpflicht. Man denke da nur mal an die vielen schrecklichen Vorfälle mit Kindern und (Kampf-)Hunden. Das Gleiche gilt natürlich auch für Schäden durch Pferde (nicht alle Pferdehalter haben auch eine Pferdehaftpflicht) oder “exotische” Haustiere wie Spinnen/Schlangen/etc, die durchaus mal ausbrechen können und für die meistens KEIN Schutz im Rahmen der PHV besteht.

Achten Sie beim Abschluss einer Privathaftpflicht also am besten nicht nur auf die Ausfalldeckung sondern auch auf die kleinen aber sehr wichtigen Feinheiten:

– Leistung bei Vorsatz
– Leistung bei Eigenschaft des Schädigers als Halter/Führer von Kraftfahrzeugen
– Leistung bei Eigenschaft des Schädigers als Halter/Führer von Tieren
– Rechtsschutz zur Durchsetzung der Ansprüche (irrelevant, sofern separater Rechtsschutz in Privatsachen besteht!)

Fazit: Eine gute PHV ist ohne Ausfalldeckung undenkbar. Eine gute Ausfalldeckung schützt vor Chaoten ohne PHV, schlechten Versicherungsbedingungen der anderen Verträge und manchmal auch vor Schicksal. Ferner ist eine solche meistens leider schwer zu finden.

TIPP: Die meisten Ausfalldeckungen leisten bis zur Deckungssumme des eigenen Vertrages. Handeln Sie smart und schützen Sie sich und Ihre Familie mit mindestens 10 Mio EYR!

Mit ausfallenden Grüßen,
Wladimir Simonov

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