Manchmal muss man im Leben Glück haben. Auch im Unglück. Besonders im Unglück, möchte ich hinzufügen.
Gestern war ich bei einer lieben Kundin, die mich nach dem ersten Kennenlernen und der Beratung bzgl. Betriebshaftpflicht letztes Jahr nun mit der Prüfung ihrer restlichen Versicherungen beauftragen wollte. Mich erwartete ein reich gedeckter Tisch mit 4 Sorten Kuchen und wir haben bei einer Tasse Kaffee ein wenig dem Smalltalk gefrönt. Unter anderem kam ein gemeinsamer Bekannter zur Sprache, der in der nächsten Zeit ein wenig kürzer treten wolle weil er kürzlich ein paar gesundheitliche Probleme bekam, die auf baldigen BurnOut hindeuten. Die Kundin meinte, sie gab ihm ein paar gute Tipps weil sie selbst vor ein paar Jahren BurnOut erlitten habe und das kein Spaß sei. Aus Erfahrung mit einigen Kunden, die deswegen berufsunfähig geworden sind, konnte ich das bestätigen und der Smalltalk war erstmal vorbei – es ging ans Eingemachte: Analyse der vorhandenen Verträge.
Ich machte mich daran die vielen Verträge Ihres Mannes und von ihr aufzunehmen und gleichzeitig im Schnellverfahren zu prüfen – wann war der Beginn, wann ist der Ablauf, welche Zusatzversicherungen sind drin, welche sind auf jeden Fall sinnvoll und welche eher nicht. Bei dem Punkt Krankenversicherung ging ich genauso vor, notierte Beginn und Tarife und plötzlich… Moment. Beginn war 2013. “Wann hast Du noch einmal den BurnOut gehabt?? Davor oder danach????” Die Kundin schaute mich verständnislos an und meinte, das wäre davor gewesen. “WANN davor???????????????” – “2009… Wieso denn?” Voller Verzweiflung schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen. Oh, nein… Nicht das auch noch! “Warum hast Du das im Antrag nicht angegeben?” – “Der Vermittler meinte, ich darf das nicht angeben sonst bekomme ich keine private Krankenversicherung… Er meinte, wenn ich 1 Jahr keine Rechnung einreiche, kann da nichts mehr passieren…”
Geschockt erklärte ich ihr den Ernst der Lage. Im Antrag müssen alle Krankheiten und Beschwerden angegeben werden, nach den der Versicherer fragt. Jeder Krankenversicherer fragt bei psychischen Beschwerden mindestens die letzten 5 Jahre – manche sogar die letzten 10 Jahre – ab. Wenn es später herauskommt, dass man etwas nicht angegeben hat, kann der Versicherer vom Vertrag zurücktreten und man verliert den Versicherungsschutz. Das ist in §19 VVG eindeutig geregelt.
Vor wenigen Wochen hatte ich so einen Fall hautnah miterlebt. Eine Kundin hat mich an ihre Chefin empfohlen, die unangenehme Post von ihrer Krankenversicherung erhielt. Die Chefin reichte eine Rechnung zu Zahnbehandlung ein und die Versicherung fragte (wohl als Stichprobe) die Krankengeschichte der letzten 5 Jahre bei ihrer Hausärztin ab. Herauskamen zahlreiche kleinere Beschwerden, die dazu führten dass sie rückwirkend ab Versicherungsbeginn und für die Zukunft 100e mtl Zuschlag bezahlen muss. (Dieser Vorgang wanderte gleich an KVProfi Thorulf Müller zu Prüfung und weiterer Veranlassung, ich werde zeitnah von Ergebnissen berichten!)
Während dieser Fall noch verhältnismäßig glimpflich endete, würde es bei dieser Kundin nicht so easy gehen. Psychische Beschwerden führen mit Sicherheit zu Ablehnung eines Krankenversicherungsantrages. Das heißt, wenn ihr Krankenversicherer davon Wind bekäme (zB im Rahmen einer anderen Behandlung in den nächsten 8 Jahren oder einer Stichprobe wie oben) wäre sie in ziemlichen Schwierigkeiten: PKV kündigt, man kann nicht mehr in die gesetzliche Krankenversicherung zurück und muss in den Basistarif = gleiche Leistungen wie die gesetzliche Krankenkasse (in der Praxis jedoch sogar weniger, da viele Ärzte Patienten mit Basistarif schlechter stellen) und Beitrag von aktuell 639,38e + Pflegepflichtversicherung bis zum Ende des Lebens. Unschön. Sogar sehr!
Noch unter Schock habe ich gleich mit Versicherungsberater Christian Müller telefoniert, da ich wusste dass aktuell fast alle Problemlöser-Koryphäen Deutschlands in Kassel eine Fortbildung für Versicherungsmakler vorbereiten. Long story short: Wir haben eine schnelle Lösung (vorbehaltlich Zustimmung des Steuerberaters) gefunden und die Kundin wird zum 1.4.2015 wieder gesetzlich versichert sein. Auf das Wechselbad der Gefühle musste sie erst mal ein paar Zigaretten rauchen – und selbst ich als Nichtraucher war stark geneigt… Man findet ja schließlich nicht jeden Tag heraus, wie kurz man ohne es zu merken vor einer Eskalation stand!
Wir halten fest:
• immerIMMER alles angeben wonach im Antrag gefragt wird
• immerIMMER alles genau durchlesen was man unterschreibt
• immerIMMER alles schriftlich einholen
Die Kundin hat sich trotz ihrer akademischen Bildung von einem windigen Vermittler einlullen lassen, trotz unwohlem Gefühl in die PKV gewechselt und einen Fehler begangen. Zum Glück haben wir im Smalltalk über das Thema BurnOut gesprochen, ich konnte zufällig 1 und 1 zusammenzählen und eine schnelle, individuelle sowie verhältnismäßig kostengünstige Lösung für die Kundin finden. So viel Glück hat man nicht jeden Tag!
Was mich ärgert:
• der Tarif hat viele versteckte Pferdefüße, die im Leistungsfall zu großen Problemen geführt hätten – auch bei richtigen Angaben im Antrag
• die Kundin wurde im Alter von 47 und ohne eine ausreichende Altersvorsorge in die PKV gedrängt
• der Vermittler hat mit dieser Fehlleistung rund 3.000e – 4.000e verdient und wird keine juristischen Konsequenzen zu befürchten haben, da keine Beweise zu seinem kriminellen Verhalten vorliegen
Ziemlich geschafft verabschiedete ich mich kurz darauf und die Kundin schien trotz des Schocks irgendwie auch erleichtert, denn sie hat sich mit diesen Falschangaben nie wohl gefühlt und nun wird sie diesen seelischen Ballast bald wieder los. Als ich dann auf ihre Nachfrage auch noch meinte, dass für mein Eingreifen keine Rechnung folgt, musste sie sich trotzdem irgendwie bedanken und schenkte mir was Süßes. Gerührt nahm ich mein Honorar in Naturalien dankend an 🙂
Auf dem Nachhauseweg musste ich viel über glückliche Zufälle nachdenken. Hätten wir nicht über diesen gemeinsamen Bekannten gesprochen, hätte ich wahrscheinlich nie von ihrem BurnOut gewusst, mich auch nie nach den Umständen der Beantragung der PKV erkundigt und das Kind nicht retten können bevor es in den Brunnen gefallen wäre. Glück sollte man besonders im Unglück haben!
Mit nachdenklichen Grüßen,
Wladimir Simonov