Die unendliche Geschichte von vollen Badewannen & leeren Versprechungen

Heute stolperte ich auf Facebook über einen Beitrag des Kollegen Sven Hennig:

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Es wird Zeit eine von mir entwickelte Parabel aus dem Jahr 2011 wieder aufzuwärmen!

Manche Kunden werden durch Werbung sowie gierige und ahnungslose Vermittler jährlich dazu getrieben, ihre PKV zu wechseln. Verkauft wird mit vermeintlichen Preisvorteilen, was natürlich blanker Unsinn ist. Bei einem lebenslangen Schuldverhältnis mit vertraglich garantiertem sowie unabänderlichem Leistungsumfang ohne Kündigungsmöglichkeit seitens des Versicherers ist der Preis die einzige Variable. Bei gleichen/ ähnlichen Leistungen auf Dauer Geld zu sparen ist NICHT möglich. Verdeutlicht wird das mit dem folgenden Beispiel:

Sie möchten in 1 Stunde baden. Deshalb drehen Sie jetzt den Wasserhahn auf und lassen sich die Badewanne volllaufen, weil Sie aus Erfahrung wissen, dass die Badewanne in genau 1 Stunde voll wird. Nach 30 Minuten dreht Ihr Nachbar den Wasserhahn auf und behauptet, dass seine exakt so große Badewanne in nur 30 Minuten auch voll sein wird. Es kommt wie es kommen musste – Sie können nach einer Stunde baden und Ihr Nachbar nicht. Um gleichzeitig mit Ihnen baden zu können, hätte er entweder eine kleinere Badewanne haben müssen (auf die Gefahr hin, dass ein paar Körperteile ungebadet blieben) oder im Laufe der Zeit Wasser nachschütten müssen.

Genau nach diesem Prinzip funktioniert auch die private Krankenversicherung. Ihre Badewanne ist der vertraglich garantierte Leistungsumfang, das Wasser ist Ihr Beitrag und die 1h symbolisiert ziemlich treffend die verbliebene Zeit bis zur (Toten-)Wäsche. Wenn nun Vermittler Kunden erzählen, sie könnten mit der gleichen oder geringeren Durchflussmenge in der halben Zeit die gleiche oder gar eine größere Badewanne befüllen, so muss man kein Sanitärexperte sein, um dies widerlegen zu können.

Welche Konsequenzen hat die Schließung eines Tarifes für den Bestand?

Mittel- bis langfristig: Keine.
Kurzfristig: Beitragsanpassung.

Erklärung: Ein PKV-Tarif (außer die unterkalkulierten Einsteigertarife) braucht kein Neugeschäft, um zu funktionieren. Im Gegensatz zum Umlageverfahren (gesetzliche Kranken- und Rentenversicherung) bei dem junge und gesunde Versicherte für die alten und die kranken Mitglieder bezahlen, zahlt jeder Kunde (jede Altesstufe – Versicherungsdeutsch: Kohorte) bei dem System der Kapitaldeckung (private Kranken- und Lebensversicherung) seinen Schaden selbst. Mit den o.g. Beispielbegriffen erklärt, könnte man sagen, dass Sie in der GKV für Ihre Eltern die Badewanne füllen, während Ihre Badewanne von Ihren Kindern gefüllt wird.

Wenn ein PKV-Tarif Neugeschäft bekommt, so wirkt sich das kurzfristig positiv aus, denn die neuen Kunden sind ja grundsätzlich erst einmal gesund. Eigentlich notwendige Beitragsanpassungen werden in die Zukunft verschoben – aber nicht neutralisiert! Gesellschaften mit überdurchschnittlichem Neuzugang (weil billig) erscheinen deshalb “beitragsstabil(-er)”, was sich aber umso schmerzhafter durch “plötzliche” Beitragssprünge zeigt, wenn das Neugeschäft wieder abflaut. Was dann folgt, ist eine leidvolle Ereigniskette, die sich in regelmäßigen Abständen immer und immer wieder wiederholt:

Kunde ist erzürnt über die plötzliche Preissteigerung. Vermittler kann oder will dies nicht erklären und bietet dem Kunden Alternativen an. Sofern der Kunde noch gesund ist, ist die “Alternative” oftmals ein Wechsel der PKV – mit den oben angeführten sinnlosen Versprechungen und unlogischen Begründungen. Der Vermittler kassiert noch einmal die Provision, die die neue PKV bereitwillig bezahlt und der Kunde ist zufrieden, bis er wieder einmal eine Beitragsanpassung kassiert, weil er versucht hat, seine Badewanne in kürzerer Zeit mit der gleichen (oder gar geringeren) Durchflussmenge Wasser zu füllen. In dem Ursprungstarif, der ach so “beitragsstabil” erschien solange Neugeschäft kam, kehrt sich der Effekt nun um, während gute Risiken (= gesunde Kunden) zu anderen PKVen abwandern und die verbliebenen kranken Kunden mehr bezahlen müssen (Entmischung). Dies wird fälschlicherweise oft als “Vergreisung” bezeichnet, was definitiv falsch ist. Entmischung hat nämlich – wie hier belegt – nichts mit dem Alter zu tun!

Früher wie heute wird mit dem Argument umgedeckt, dass der PKV-Tarif “geschlossen” sei und deshalb eine “Vergreisung” eintrete. Überraschung: Alle PKVersicherte der Bisex-Welt (Abschluss vor dem 21.12.2012) befinden sich heute in den ach-so-schlimmen geschlossenen Tarifen, die sofort vergreisen müssten. Immerhin kommt seit 8 Monaten kein neuer Versicherte nach 😉

Dazu wiederum habe ich bereits im Jahr 2010 was geschrieben:

Vorurteil:

Ein Tarif, der geschlossen ist und keine neuen jungen und gesunden Versicherten hat, wird im Laufe der Zeit überaltern. Die Versichertengemeinschaft bleibt unter sich, wird immer älter und dies führt zwangsläufig dazu, dass immer älter werdende Versicherte immer höhere Leistungsausgaben verursachen und deshalb immer drastischere Beitragsanpassungen in immer kürzeren Zeitabständen erleben bis der Tarif irgendwann mal unbezahlbar wird.

Tatsache:

Ein PKV-Tarif braucht kein Neugeschäft, um zu funktionieren. Es gibt keine „geschlossenen“ Tarife. Es gibt keine „Vergreisung“ sondern allenfalls eine Entmischung und diese kann die Versicherungsgesellschaft steuern.

Kalkulation eines PKV-Tarifes

Für die Beitragsstabilität eines PKV-Tarifes ist es unerheblich ob Neukunden hinzukommen oder nicht. Die Kalkulation berücksichtigt ab dem 1. Tag die höheren Leistungsausgaben im Alter, eine Beitragssteigerung aufgrund Alterung ist also ausgeschlossen. Der Preis eines PKV-Tarifes steigt nur, wenn sich nicht vorhersehbare Faktoren wie z.B. Inflation, demografische Entwicklung (die durchschnittliche Lebenserwartung steigt) oder Eingriffe von Seiten des Gesetzgebers negativ auswirken.

„Geschlossene“ Tarife

Es gibt zum einen Tarife, die nur für bestimmte Personengruppen zur Verfügung stehen (z.B. Ärztetarife) und zum anderen für Neugeschäft geschlossene Tarife. Versicherten aus dem Bestand steht der Wechsel in einen für das Neugeschäft geschlossenen Tarif immer frei, sofern andere zwingende Voraussetzungen (wie z.B. Gleichartigkeit des Versicherungsschutzes oder Ausschluss von Mehrleistungen) erfüllt sind. Dies ist in §204 VVG gesetzlich geregelt.

Entmischung

Wenn viele Versicherte aus alten Tarifen bei Einführung neuer Tarife in diese wechseln, kann es zu einer Entmischung und den oben beschriebenen negativen Spiraleffekten führen. Dem kann man als Versicherungsgesellschaft entgegenwirken, indem man z.B. keine Anreize für einen Wechsel bietet, Risikozuschläge aufgrund Andersartigkeit der Kalkulation verlangt oder – die mit Abstand eleganteste Lösung – die neuen Tarife kalkulatorisch mit den „Alttarifen“ verknüpft und somit positive Spiraleffekte durch Zumischung erzeugt.

Insgesamt kann man sagen, dass heutzutage viele Gesellschaften aus den eigenen und fremden Fehlern gelernt haben und auf diesen wichtigen Aspekt verstärkt Wert legen.

Tipp für PKV-Kunden und solche, die es werden wollen: Lassen Sie sich von den kursierenden Falschaussagen zu diesem Thema nicht täuschen und wählen Sie bei Neuabschluss oder Tarifwechsel einen spezialisierten Berater, der Ihnen die Zusammenhänge verständlich und fundiert erklären kann.

Der Preis ist bei der privaten Krankenversicherung die einzige und unwichtigste Variable. Durch eine aggressive Kalkulation kann ein Versicherer Kunden in PKV-Tarife locken und dann die Preisschraube radikal anziehen. Wenn man dann alt und/oder krank ist, kommt man da leider nicht mehr raus und muss uU innerhalb weniger Jahre alles nachzahlen, was man jahr(zehnt)elang “gespart” hat.

Mit wissenden Grüßen,
Wladimir Simonov

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